Steelman hat geschrieben: Di 17. Mär 2020, 11:20
Bei meiner um 00:51 gestellten Frage ging es um die
rechtlichen Aspekte.
Dazu gibt es meines Wissens nichts, was man mit Sicherheit sagen könnte. Nicht jetzt und wahrscheinlich überhaupt nicht. Ich versuche es aber langsam aufbauend zu erklären, nach bestem Wissen und Gewissen, gemäß meiner Auslegung. Dann kannst du deine Einschätzung selbst feinjustieren. Meine Kommentare in
blau.
Die Kurzfassung: bleib daheim, geh nur raus wenns sein muss (auch subjektiv = "Spazierengehen") und dann keine unnötigen Wege.
Und an alle, die nur weiterhin streitlustig agieren und reagieren und sich an einzelnen Formulierungen aufhängen wollen: Ihr müsst es nicht lesen, es ist immerhin primär an Steelman gerichtet. Sollte noch jemand davon profitieren umso besser, aber eine unqualifizierte Rechthaberorgie interessiert bloß euch selbst. Qualifizierte und konstruktive Kritik jedoch erwünscht.
Die Langfassung:
COVID19- Gesetz:
Betreten von bestimmten Orten
§ 2. Beim Auftreten von COVID-19 kann durch Verordnung das Betreten von bestimmten Orten untersagt werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. Die Verordnung ist
1. vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf das gesamte Bundesgebiet erstreckt
Der Zweck der Norm ist also, dass die Verbreitung des Virus eingedämmt wird. Es handelt sich um Schmier- und Tröpfcheninfektion, somit muss auf den Kontakt mit anderen Personen und Gegenständen, welche infektiös sein könnten, abgestellt werden, einschließlich Überlegungen betreffend die Distanz, also bspw Atmen, Husten, Rotzen, Gähnen, usw.
Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß § 2 Z 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes
Auf Grund von § 2 Z 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, BGBl. I Nr. 12/2020, wird verordnet:
§ 1. Zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 ist das Betreten öffentlicher Orte verboten.
Grundsatzbestimmung: man soll sich nicht an öffentlichen Orten aufhalten, da an öffentlichen Orten die Kontamination von Personen und Gegenständen mit dem Virus und dadurch die Aufnahme des Virus durch noch nicht infizierte Personen am wahrscheinlichsten ist. Ausnahmen wie folgt:
§ 2. Ausgenommen vom Verbot gemäß § 1 sind Betretungen,
1. die zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leib, Leben und Eigentum erforderlich sind;
Die Gefahr für Gesundheit und Leben und Eigentum muss unmittelbar bestehen. Das klingt ganz nach "Gefahr im Verzug". Handlungen mit dem Ziel der Vorsorge müssen aber zwangsläufig ebenfalls erfasst sein, da gerade in Anbetracht der Erkrankung und Gefahr der Verbreitung, eine Abwendung der bereits bestehenden „unmittelbaren“ Gefahr gegebenenfalls erst recht nicht mehr möglich ist. Im Gegenteil, man verursacht die "Gefahr im Verzug" erst durch die Unterlassung.
So hat kürzlich in der Zeitschrift „Pferde-Revue“ eine Rechtsanwältin ihre Interpretation nach ebendiesen Regeln veröffentlich. Sinngemäß sagte sie, dass Pferdeeigentümer ihre Tiere selbstverständlich versorgen können und müssen (Tierschutz), allerdings eingeschränkt auf das Nötigste und unter Beachtung der Vorschriften (Personenansammlungen, Abstand, etc). Ansonsten kann man die Gefahr für sein Eigentum (Pferd) nicht abwenden. Im Gegenteil sogar, denn gerade durch die Unterlassung würde man eine Beschädigung oder gar Zerstörung seines Eigentums herbeiführen. Alles, das über den Schutz des Eigentums hinausgeht (Schulbetrieb, Ausreiten, Turniere, im Stüberl gemeinsam herumlungern, etc), ist selbstverständlich nicht erlaubt, da es der Grundsatzbestimmung des §1 COVID-VO widersprechen würde. Mitreiter, Pferdemieter u.ä. hingegen sind schon eine Grauzone, da sie nicht ihr Eigentum schützen. Gegebenenfalls wäre hier eine Analogie zu Ziffer 2 denkbar, das aber ist reine Theorie.
Wenn jemand beobachtet, wie ein Anderer sein Auto demoliert, dann darf man selbstverständlich sein Eigentum schützen.
Glasklar ist bezüglich Gefahr für „Leib und Leben“ die Grundversorgung, die in Ziffer 3 gesondert Aufmerksamkeit erlangt: Nahrung (inklusive Vitamine
), Wärme, Medikamente, Hygieneartikel, etc. Könnte man nicht mehr einkaufen gehen, wäre eine Abwendung einer Gefahr unmöglich. Auch hier würde eine Unterlassung erst zur Verursachung führen.
Auch wenn es in der Wohnung brennt, so "darf" man sich selbstverständlich ins Freie retten.
2.die zur Betreuung und Hilfeleistung von unterstützungsbedürftigen Personen dienen;
Liegt bspw eine pflegebedürftige Person ohne Pflegekraft daheim und kann ihre Grundversorgung und Pflege nicht selbst wahrnehmen, dann müssen auch von dieser Person Gefahr für Leib, Leben und Eigentum abgewendet werden (zB wegen Einreisesperre der Pflegekraft, oder grundsätzlich betreut ein Angehöriger, etc). Somit führt auch das auf die Ziffer 1 zurück, nur eben für jemand anderen. Die Situation ist vergleichbar mit Nothilfe = Ziffer 2 und Notwehr = Ziffer 1 (nicht rechtlich, nur zum besseren Verständnis). Ein Bild aufhängen für die gebrechliche Tante Gerti hingegen ist keine "Hilfestellung" im Sinne der Grundsatzbestimmung.
3. die zur Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens erforderlich sind und sichergestellt ist, dass am Ort der Deckung des Bedarfs zwischen den Personen ein Abstand von mindestens einem Meter eingehalten werden kann;
Auch das steht in enger Verbindung zur Ziffer 1. Ohne Grundversorgung wären die Rechtsgüter unmöglich zu schützen.
4. die für berufliche Zwecke erforderlich sind und sichergestellt ist, dass am Ort der beruflichen Tätigkeit zwischen den Personen ein Abstand von mindestens einem Meter eingehalten werden kann;
Jemand, der in seinem Job hauptsächlich Eier schaukelt ist also anders zu beurteilen, als jemand, der wichtige Dienstleistungen für die Allgemeinheit erbringt. Das kann man natürlich nicht pauschalisieren, es liegt also in erster Linie am Arbeitgeber, abzuwägen, ob die Anwesenheit des konkreten Arbeitnehmers am Arbeitsplatz „erforderlich“ ist. Abzuwägen ist hier die Gefahr für den Betrieb selbst und die Gefahr für den Arbeitnehmer, also die Gefahr einer weiteren Verbreitung. Sobald "Systemerhalter" involviert sind, steht es natürlich außer Frage, dass ohne diese Menschen die Rechtsgüter der bisherigen Ziffern gefährdet wären. (danke an dieser Stelle an alle, die sich nicht einfach krankmelden und ihrer Arbeit zum Wohle der Allgemeinheit nachgehen.)
5. wenn öffentliche Orte im Freien alleine, mit Personen, die im gemeinsamen Haushalt leben, oder mit Haustieren betreten werden sollen, gegenüber anderen Personen ist dabei ein Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten.
Ist man alleine unterwegs und beachtet den Abstand, so wird die Verbreitung besser eingedämmt. Ob man nun geht, läuft, radelt, oder Purzelbäume schlägt, sollte eigentlich keinen Unterschied machen.
ABER: Unter Berücksichtigung der Grundsatzbestimmung (s.o.) und dem Zweck dieser Norm, stellt sich schon die Frage, ob man „zum Spaß“ strawanzen gehen darf, oder auch hier nur auf das „Nötigste“ abgestellt wird. Da werden zwangsläufig sehr viele Umstände relevant sein. Bspw wird der Fall eines Klaustrophobikers anders zu beurteilen sein, als ein Extremsportler, der „ohne Sport nicht leben kann“. Auch wird abgestellt werden müssen auf die konkrete Örtlichkeit, sowie den objektiven(!) Grund, weshalb jemand eine weitere Distanz zurücklegt, als er eigentlich müsste. Gleiches gilt für die Art der Zielerreichung: Öffis, Taxi, eigener PKW, Fahhrad, Wetterbedingungen, Unfallrisiko, uvm. Wenn du jetzt argumentierst, dass du in der entfernten Natur am ehesten alleine bist und auf dem Weg dahin erst recht nicht mit jemandem in Kontakt kommst und dass es beim Spazierengehen um den Häuserblock anders im Sinne von gefährlicher für alle wäre, dann sind das zwar sehr gute Argumente, die auch objektiv nachvollziehbar sind.
Das sind jedoch alles Umstände, die realistisch betrachtet erst im Prozess volle Beachtung finden werden und dafür muss es bereits eine Strafe geben und dann erst gerät dieser Stein durch die Instanzen ins Rollen. Denn ein Polizist wird sich kaum auf etwas derartiges einlassen wollen und können (sofern er überhaupt daran interessiert ist, ein Auto oder einen Jogger, der allein irgendwo unterwegs ist, zu kontrollieren). Unter Beachtung des Damoklesschwertes des §1 COVID-VO: „ Zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 ist das Betreten öffentlicher Orte verboten“, würde ich es nicht darauf ankommen lassen. Wenn jemand unbedingt sporteln will, weil er sonst einen Lagerkoller bekommt, dann wäre es sicherer, wenn er unter Beachtung der anderen Schutzvorschriften keine "unnötigen" Wege zurücklegt. Und ganz sicher ist man, wenn man wirklich bloß spazieren geht... derzeit... ok, kommt drauf an wo ^^
§ 3. Die Benützung von Massenbeförderungsmitteln ist nur für Betretungen gemäß § 2 Z 1 bis 4 zulässig, wobei bei der Benützung ein Abstand von mindestens einem Meter gegenüber anderen Personen einzuhalten ist.
§ 4. Im Fall der Kontrolle durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind die Gründe, warum eine Betretung gemäß § 2 zulässig ist, glaubhaft zu machen. § 5. Diese Verordnung tritt mit 16. März 2020 in Kraft und mit Ablauf des 22. März 2020 außer Kraft.
Edit: Gesetzt und VO verschwurbelt...