Re: Stellungnahmen ans Parlament/BMI zur WaffG-Änderung
Verfasst: Mi 24. Okt 2018, 16:02
ganz so klar ist das offenbar nicht ...
fuer leseratten:
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https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe? ... 2M0000_000
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der Beklagten ist aus den genannten Gründen zulässig und berechtigt.
Das Institut der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht trägt dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutz der Geheimsphäre des Einzelnen Rechnung. Regelungen dazu finden sich sowohl im Strafrecht (§ 121 StGB) als auch in berufsrechtlichen Vorschriften, die - wie etwa § 54 ÄrzteG 1998 - Angehörige bestimmter Berufsgruppen zur Verschwiegenheit verpflichten. Nach § 54 Abs 1 ÄrzteG 1998 ist der Arzt zur Verschwiegenheit über alle ihm in Ausübung seines Berufs anvertrauten oder bekannt gewordenen Geheimnisse verpflichtet. Auch § 25 Abs 1 Vbg Spitalgesetz LGBl 1990/1 ordnet eine solche Verschwiegenheitspflicht an. Unter den Begriff des Geheimnisses fallen alle Umstände, die nur dem Patienten selbst oder einem beschränkten Personenkreis bekannt sind und die nach dem Willen des Betroffenen anderen nicht bekannt werden sollen. Das Berufsgeheimnis des Arztes erstreckt sich somit auf alle für andere Personen nicht wahrnehmbare Tatsachen, die dem Arzt bei Ausübung seines Berufes über jemanden bekannt werden und an deren Geheimhaltung der Betroffene ein berechtigtes Interesse hat (Aigner/Kierein/Kopetzki, ÄrzteG 19982 § 54 Anm 3; Stellamor/Steiner, Handbuch des österreichischen Arztrechts I, 167; Kux/Emberger/Neudorfer/Chlan/Mahn, ÄrzteG 19883 § 26 Anm 2).
Nach § 54 Abs 2 Z 4 ÄrzteG 1998 besteht die Verschwiegenheitspflicht des Arztes nicht, wenn die Offenbarung des Geheimnisses nach Art und Inhalt zum Schutz höherwertiger Interessen der öffentlichen Gesundheitspflege oder der Rechtspflege unbedingt erforderlich ist. Auch nach § 25 Abs 2 Vbg Spitalgesetz besteht die Verschwiegenheitspflicht nicht, wenn die Offenbarung des Geheimnisses nach Art und Inhalt durch ein öffentliches Interesse, insbesondere durch Interessen der öffentlichen Gesundheitspflege oder der Rechtspflege, gerechtfertigt ist. Die Beurteilung, ob das Interesse der öffentlichen Gesundheitspflege oder der Rechtspflege an der Preisgabe des Geheimnisses höherwertig ist als jenes des betroffenen Patienten an der Geheimhaltung, setzt eine Interessenabwägung voraus (Stellamor/Steiner aaO 168). Dazu vertreten Stellamor/Steiner (aaO 173) die Auffassung, das Handeln des Arztes sei immer dann gerechtfertigt, wenn er durch seine Mitteilung höhere Interessen schützt, als es das Recht des Betroffenen auf Geheimhaltung darstelle. Ein Durchbrechen der Schweigepflicht sei dann gerechtfertigt, wenn dadurch andere vor Schäden bewahrt werden. Ein derartiger Sachverhalt unterliege dem Rechtfertigungsgrund der Pflichtenkollision. Als Beispiel dafür verweisen die Autoren auf jene Fälle, in denen der Arzt erkennt, dass der Gesundheitszustand eines Patienten eine ernste Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs und damit für das Leben und die Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer (und auch des Patienten selbst) darstellt. Sie meinen, in einem solchen Fall rechtfertige bereits die aus dem Behandlungsvertrag resultierende Pflicht des Arztes zum Schutz des höherwertigen Rechtsgutes Leben (Gesundheit) des eigenen Patienten eine Durchbrechung der Schweigepflicht (durch Mitteilung an die zuständige Behörde).
Kux/Emberger/Neudorfer/Chlan/Mahn (§ 26 ÄrzteG 1988 Anm 5d) weisen auf die in diesen Fällen mögliche Kollision der Interessen an der Sicherheit des Straßenverkehrs mit dem ärztlichen Berufsgeheimnis hin. Gleichzeitig räumen sie ein, dass sich schwerwiegende Fälle ergeben könnten, in denen nach gewissenhafter Interessenabwägung eine Mitteilung des Arztes im Interesse der öffentlichen Gesundheitspflege vertretbar und daher geboten sei.
Demgegenüber vertritt Tippel (Die Ärztliche Schweigepflicht und das Kraftfahrrecht, ZVR 1989, 357) die Auffassung, die Meldung eines offensichtlich nicht mehr verkehrstauglichen Lenkers an die Führerscheinbehörde sei - weil weder durch die Interessen der Rechtspflege noch durch jene der öffentlichen Gesundheitspflege gerechtfertigt - jedenfalls gesetzwidrig.
Dieser Meinung ist Klaus (Ärztliche Schweigepflicht. Ihr Inhalt und ihre Grenzen [1991], 141) entgegengetreten, der sich - von § 121 Abs 5 StGB ausgehend - mit den Rechtfertigungsgründen einer Durchbrechung der Schweigepflicht eingehend befasst. Trotz unterschiedlicher inhaltlicher Ausgestaltung der Regelungen über die ärztliche Schweigepflicht in § 121 StGB und § 54 ÄrzteG 1998 (damals § 26 ÄrzteG 1988) spricht er sich gerade für den Bereich der Rechtfertigungsgründe für eine Abstimmung der einzelnen Normen aus, um Wertungswidersprüche zu vermeiden. Sei nämlich die Durchbrechung der Schweigepflicht strafrechtlich gerechtfertigt, so müsse sie auch verwaltungsrechtlich zulässig sein und umgekehrt (Klaus aaO 11). Derjenige, der ein gesundheitsbezogenes Geheimnis offenbare oder verwerte, sei nach § 121 Abs 5 StGB nicht zu bestrafen, wenn die Offenbarung oder Verwertung nach Inhalt und Form durch ein öffentliches oder berechtigtes privates Interesse gerechtfertigt sei. Allerdings könne nur ein überwiegendes öffentliches Interesse die Durchbrechung des Berufsgeheimnisses rechtfertigen (aaO 96, 132). Das Interesse an der Verkehrssicherheit stelle unzweifelhaft ein öffentliches Interesse in diesem Sinn dar (aaO 142). Der Rechtfertigungsgrund setze eine unmittelbar drohende bedeutsame Gefahr voraus, die (nur) durch die Offenbarung des gesundheitsbezogenen Geheimnisses abgewendet werden könne (aaO 133 ff). Dabei komme es auf die Umstände des Einzelfalls an. Es bedürfe einer Gesamtabwägung der beteiligten Interessen, des Ausmaßes der drohenden Beeinträchtigung und der Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts (aaO 134). Dieser Rechtfertigungsgrund könne auch dann verwirklicht sein, wenn der Arzt feststelle, dass sein Patient aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr fahrtauglich sei, sich aber völlig uneinsichtig zeige und durch seine weitere Teilnahme am Verkehrsgeschehen eine dauernde Gefahr für Gesundheit und Leben anderer Verkehrsteilnehmer hervorrufe (aaO 138 f). Bei der zur Beurteilung erforderlichen Güterabwägung müsse aber auch die Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung berücksichtigt werden. Sei die Gefahr, dass es krankheitsbedingt zu einem Unfall komme, gering, überwiege das Interesse an der Geheimhaltung.
Schmoller (Zur Reichweite der Verschwiegenheitspflicht von Ärzten, Psychologen und Psychotherapeuten, RdM 1996, 131) bejaht Einschränkungen der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht aus der Notwendigkeit der Abwendung einer umittelbar drohenden Gefahrensituation im Einzelfall, die auch in einer allgegenwärtigen Dauergefahr bestehen könne. Er meint, § 121 Abs 5 StGB unterstreiche, dass eine Mitteilung ärztlicher Geheimnisse über §§ 26, 27 ÄrzteG 1988 hinaus auch gegen Individualinteressen gerechtfertigt sein könne und fordert diesbezüglich eine Güterabwägung.
Eine Güterabwägung zwischen dem Individualinteresse des Patienten an der Geheimhaltung und öffentlichen Interessen an der Offenbarung von gesundheitsbezogenen Geheimnissen verlangt auch Stolzlechner (Überlegungen zur ärztlichen Verschwiegenheits-, Anzeige- und Meldepflicht, RdM 2000, 67), der betont, dass die Offenbarung des Geheimnisses nur dann erlaubt sei, wenn sie nach Art und Inhalt zum Schutz der angeführten höherwertigen Interessen unbedingt erforderlich sei.
Der 6. Senat schließt sich der von Stellamor/Steiner (aaO 172) vertretenen Auffassung an, wonach die im § 54 Abs 2 Z 4 ÄrzteG 1998 vorgenommene Betonung höherwertiger Interessen dahingehend zu verstehen ist, dass das Vorliegen höherwertiger Interessen eine Durchbrechung der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht im Einzelfall rechtfertigen kann. Die Erwähnung der Bereiche öffentliche Gesundheitspflege und Rechtspflege darf demgegenüber zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zu § 121 Abs 5 StGB nicht dahin interpretiert werden, dass es außerhalb dieser Bereiche keine anderen Interessen gebe, die als höherwertig angesehen werden dürften (vgl § 25 Abs 2 Vbg Spitalgesetz: insbesondere). Auch das Interesse dritter Personen an ihrer eigenen Gesundheit muss den von § 54 Abs 2 Z 4 ÄrzteG 1998 genannten Bereichen zumindest gleichgesetzt werden, zumal es dabei um Interessen der öffentlichen Gesundheitspflege im weiteren Sinn geht. Dieses Verständnis trägt auch der im Schrifttum (Klaus aaO 11) geforderten Abstimmung zwischen den Rechtfertigungsgründen des § 121 Abs 5 StGB und § 54 Abs 2 Z 4 ÄrzteG 1998 Rechnung, zumal die Offenbarung eines gesundheitsbezogenen Geheimnisses nach § 121 Abs 5 StGB schon dann gerechtfertigt ist, wenn (irgendein) öffentliches oder berechtigtes privates Interesse die Offenlegung rechtfertigen (Lewisch, WK zum Strafgesetzbuch2 § 121 StGB Rz 31 f).
Allerdings setzt die Beurteilung eine nach den Umständen des Einzelfalles vorzunehmende umfassende Interessenabwägung voraus. Im hier zu beurteilenden Fall ist das Interesse des Klägers an der Geheimhaltung des Befunds und jenes dritter Personen (aber auch des Klägers selbst), als Verkehrsteilnehmer nicht durch die Fahruntauglichkeit geschädigt zu werden, einander gegenüberzustellen. Dem Berufungsgericht ist zwar darin zuzustimmen, dass der behandelnde Arzt nicht generell bei jedem Verdacht auf eine krankheitsbedingte Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit die Führerscheinbehörde informieren darf und dass es auch darauf ankommt, wie groß die Gefahr ist, dass es krankheitsbedingt zu einem Unfall kommt. Im vorliegenden Fall bestanden aus der Sicht der behandelnden Ärzte schwerwiegende Hinweise auf eine krankheitsbedingte Bewusstseinsstörung, sei es in Form einer Anfallskrankheit oder des Alkoholismus. Die Auskunft eines Arbeitskollegen des Klägers, dieser könne es mit dem Alkohol gut, konnte die nach der Anamnese bestehenden Hinweise ebensowenig entkräften wie das uneinsichtige und aufbrausende Verhalten des Klägers, sondern musste den Eindruck, er könnte als Alkoholiker in seiner Fahrtauglichkeit beeinträchtigt sein, noch verstärken. Im Übrigen hatte der Kläger bereits einmal einen Verkehrsunfall unter Alkoholeinfluss verursacht und es war ihm der Führerschein schon damals entzogen worden. Er hatte danach noch zwei weitere Alkoholdelikte begangen. Dem Berufungsgericht ist daher nicht darin zu folgen, dass die Gefahr eines Unfalls gering gewesen wäre.
Dass die im Anlassfall zur Bewusstlosigkeit führenden Ursachen nicht festgestellt wurden, ist nicht darauf zurückzuführen, dass es keine die Fahrtauglichkeit beeinträchtigenden Umstände gegeben hätte, sondern vielmehr darauf, dass der Kläger auf seiner Entlassung bestand und sich weigerte, weiterführende Untersuchungen vornehmen zu lassen. Seine Weigerung machte die von einer krankheitsbedingten Beeinträchtigung ausgehende Gefahr unkalkulierbar und schlägt somit zugunsten des Interesses an der Sicherheit des Straßenverkehrs aus. Sein insgesamt uneinsichtiges Verhalten war auch nicht dazu geeignet, bei den Ärzten den Eindruck zu hinterlassen, er werde die Ursachen seiner Bewusstlosigkeit tatsächlich von der Hausärztin abklären lassen. Sie mussten daher nicht davon ausgehen, dass er die angekündigte Untersuchung tatsächlich werde vornehmen lassen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes kann dem Geheimhaltungsinteresse des Klägers auch nicht deshalb der Vorrang eingeräumt werden, weil die Rechtsordnung das normale Risiko des Straßenverkehrs toleriere. Dieses auch von Klaus (aaO 140) im Rahmen der Interessenabwägung gebrauchte Argument versagt im vorliegenden Fall schon deshalb, weil der Kläger durch seine Tätigkeit als Rettungswagenfahrer ein höheres Risiko für die Beeinträchtigung des Lebens und der Gesundheit anderer verwirklicht. Die möglichen Folgen für Dritte, die durch seine Fahruntüchtigkeit drohen, sind daher höher einzuschätzen als bei privaten Autolenkern (siehe auch Klaus aaO 142). Die Interessenabwägung führt somit zusammenfassend zu einem Überwiegen der Interessen an der Bekanntgabe des Befundes an die Führerscheinbehörde, um eine Verletzung Dritter als Verkehrsteilnehmer durch die Fahruntauglichkeit des Klägers zu vermeiden, gegenüber dem Interesse des Klägers an der Geheimhaltung. Die von den Spitalsärzten der Beklagten verfasste Meldung an die zuständige Bezirkshauptmannschaft war daher - wie das Erstgericht richtig erkannte - nicht gesetzwidrig.
Dass die Gewichtigkeit eines Themas für die Allgemeinheit Beurteilungskriterium bei der Interessenabwägung sein kann, hat der Senat aus Anlass der Prüfung von Rechtfertigungsgründen im Konflikt zwischen dem Recht der freien Meinungsäußerung und dem absolut geschützten Gut der Ehre im Zusammenhang mit einem Verstoß gegen § 1330 ABGB bereits bejaht. Dabei hat der Senat auch die Sensibilisierung der Bevölkerung gegenüber dem Thema Alkohol am Steuer herausgestrichen (6 Ob 109/00y = MR 2001, 26 - Alkoholsünder). Das Ergebnis der im vorliegenden Fall vorgenommenen Interessenabwägung steht damit im Einklang.
Der vom Berufungsgericht aufgetragenen Verfahrensergänzung zur Höhe des Klagebegehrens bedarf es also nicht. Dem dagegen erhobenen Rekurs der Beklagten wird Folge gegeben und in der Sache selbst (§ 519 Abs 2 letzter Satz ZPO) die das Klagebegehren abweisende Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt.
fuer leseratten:
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https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe? ... 2M0000_000
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der Beklagten ist aus den genannten Gründen zulässig und berechtigt.
Das Institut der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht trägt dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutz der Geheimsphäre des Einzelnen Rechnung. Regelungen dazu finden sich sowohl im Strafrecht (§ 121 StGB) als auch in berufsrechtlichen Vorschriften, die - wie etwa § 54 ÄrzteG 1998 - Angehörige bestimmter Berufsgruppen zur Verschwiegenheit verpflichten. Nach § 54 Abs 1 ÄrzteG 1998 ist der Arzt zur Verschwiegenheit über alle ihm in Ausübung seines Berufs anvertrauten oder bekannt gewordenen Geheimnisse verpflichtet. Auch § 25 Abs 1 Vbg Spitalgesetz LGBl 1990/1 ordnet eine solche Verschwiegenheitspflicht an. Unter den Begriff des Geheimnisses fallen alle Umstände, die nur dem Patienten selbst oder einem beschränkten Personenkreis bekannt sind und die nach dem Willen des Betroffenen anderen nicht bekannt werden sollen. Das Berufsgeheimnis des Arztes erstreckt sich somit auf alle für andere Personen nicht wahrnehmbare Tatsachen, die dem Arzt bei Ausübung seines Berufes über jemanden bekannt werden und an deren Geheimhaltung der Betroffene ein berechtigtes Interesse hat (Aigner/Kierein/Kopetzki, ÄrzteG 19982 § 54 Anm 3; Stellamor/Steiner, Handbuch des österreichischen Arztrechts I, 167; Kux/Emberger/Neudorfer/Chlan/Mahn, ÄrzteG 19883 § 26 Anm 2).
Nach § 54 Abs 2 Z 4 ÄrzteG 1998 besteht die Verschwiegenheitspflicht des Arztes nicht, wenn die Offenbarung des Geheimnisses nach Art und Inhalt zum Schutz höherwertiger Interessen der öffentlichen Gesundheitspflege oder der Rechtspflege unbedingt erforderlich ist. Auch nach § 25 Abs 2 Vbg Spitalgesetz besteht die Verschwiegenheitspflicht nicht, wenn die Offenbarung des Geheimnisses nach Art und Inhalt durch ein öffentliches Interesse, insbesondere durch Interessen der öffentlichen Gesundheitspflege oder der Rechtspflege, gerechtfertigt ist. Die Beurteilung, ob das Interesse der öffentlichen Gesundheitspflege oder der Rechtspflege an der Preisgabe des Geheimnisses höherwertig ist als jenes des betroffenen Patienten an der Geheimhaltung, setzt eine Interessenabwägung voraus (Stellamor/Steiner aaO 168). Dazu vertreten Stellamor/Steiner (aaO 173) die Auffassung, das Handeln des Arztes sei immer dann gerechtfertigt, wenn er durch seine Mitteilung höhere Interessen schützt, als es das Recht des Betroffenen auf Geheimhaltung darstelle. Ein Durchbrechen der Schweigepflicht sei dann gerechtfertigt, wenn dadurch andere vor Schäden bewahrt werden. Ein derartiger Sachverhalt unterliege dem Rechtfertigungsgrund der Pflichtenkollision. Als Beispiel dafür verweisen die Autoren auf jene Fälle, in denen der Arzt erkennt, dass der Gesundheitszustand eines Patienten eine ernste Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs und damit für das Leben und die Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer (und auch des Patienten selbst) darstellt. Sie meinen, in einem solchen Fall rechtfertige bereits die aus dem Behandlungsvertrag resultierende Pflicht des Arztes zum Schutz des höherwertigen Rechtsgutes Leben (Gesundheit) des eigenen Patienten eine Durchbrechung der Schweigepflicht (durch Mitteilung an die zuständige Behörde).
Kux/Emberger/Neudorfer/Chlan/Mahn (§ 26 ÄrzteG 1988 Anm 5d) weisen auf die in diesen Fällen mögliche Kollision der Interessen an der Sicherheit des Straßenverkehrs mit dem ärztlichen Berufsgeheimnis hin. Gleichzeitig räumen sie ein, dass sich schwerwiegende Fälle ergeben könnten, in denen nach gewissenhafter Interessenabwägung eine Mitteilung des Arztes im Interesse der öffentlichen Gesundheitspflege vertretbar und daher geboten sei.
Demgegenüber vertritt Tippel (Die Ärztliche Schweigepflicht und das Kraftfahrrecht, ZVR 1989, 357) die Auffassung, die Meldung eines offensichtlich nicht mehr verkehrstauglichen Lenkers an die Führerscheinbehörde sei - weil weder durch die Interessen der Rechtspflege noch durch jene der öffentlichen Gesundheitspflege gerechtfertigt - jedenfalls gesetzwidrig.
Dieser Meinung ist Klaus (Ärztliche Schweigepflicht. Ihr Inhalt und ihre Grenzen [1991], 141) entgegengetreten, der sich - von § 121 Abs 5 StGB ausgehend - mit den Rechtfertigungsgründen einer Durchbrechung der Schweigepflicht eingehend befasst. Trotz unterschiedlicher inhaltlicher Ausgestaltung der Regelungen über die ärztliche Schweigepflicht in § 121 StGB und § 54 ÄrzteG 1998 (damals § 26 ÄrzteG 1988) spricht er sich gerade für den Bereich der Rechtfertigungsgründe für eine Abstimmung der einzelnen Normen aus, um Wertungswidersprüche zu vermeiden. Sei nämlich die Durchbrechung der Schweigepflicht strafrechtlich gerechtfertigt, so müsse sie auch verwaltungsrechtlich zulässig sein und umgekehrt (Klaus aaO 11). Derjenige, der ein gesundheitsbezogenes Geheimnis offenbare oder verwerte, sei nach § 121 Abs 5 StGB nicht zu bestrafen, wenn die Offenbarung oder Verwertung nach Inhalt und Form durch ein öffentliches oder berechtigtes privates Interesse gerechtfertigt sei. Allerdings könne nur ein überwiegendes öffentliches Interesse die Durchbrechung des Berufsgeheimnisses rechtfertigen (aaO 96, 132). Das Interesse an der Verkehrssicherheit stelle unzweifelhaft ein öffentliches Interesse in diesem Sinn dar (aaO 142). Der Rechtfertigungsgrund setze eine unmittelbar drohende bedeutsame Gefahr voraus, die (nur) durch die Offenbarung des gesundheitsbezogenen Geheimnisses abgewendet werden könne (aaO 133 ff). Dabei komme es auf die Umstände des Einzelfalls an. Es bedürfe einer Gesamtabwägung der beteiligten Interessen, des Ausmaßes der drohenden Beeinträchtigung und der Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts (aaO 134). Dieser Rechtfertigungsgrund könne auch dann verwirklicht sein, wenn der Arzt feststelle, dass sein Patient aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr fahrtauglich sei, sich aber völlig uneinsichtig zeige und durch seine weitere Teilnahme am Verkehrsgeschehen eine dauernde Gefahr für Gesundheit und Leben anderer Verkehrsteilnehmer hervorrufe (aaO 138 f). Bei der zur Beurteilung erforderlichen Güterabwägung müsse aber auch die Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung berücksichtigt werden. Sei die Gefahr, dass es krankheitsbedingt zu einem Unfall komme, gering, überwiege das Interesse an der Geheimhaltung.
Schmoller (Zur Reichweite der Verschwiegenheitspflicht von Ärzten, Psychologen und Psychotherapeuten, RdM 1996, 131) bejaht Einschränkungen der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht aus der Notwendigkeit der Abwendung einer umittelbar drohenden Gefahrensituation im Einzelfall, die auch in einer allgegenwärtigen Dauergefahr bestehen könne. Er meint, § 121 Abs 5 StGB unterstreiche, dass eine Mitteilung ärztlicher Geheimnisse über §§ 26, 27 ÄrzteG 1988 hinaus auch gegen Individualinteressen gerechtfertigt sein könne und fordert diesbezüglich eine Güterabwägung.
Eine Güterabwägung zwischen dem Individualinteresse des Patienten an der Geheimhaltung und öffentlichen Interessen an der Offenbarung von gesundheitsbezogenen Geheimnissen verlangt auch Stolzlechner (Überlegungen zur ärztlichen Verschwiegenheits-, Anzeige- und Meldepflicht, RdM 2000, 67), der betont, dass die Offenbarung des Geheimnisses nur dann erlaubt sei, wenn sie nach Art und Inhalt zum Schutz der angeführten höherwertigen Interessen unbedingt erforderlich sei.
Der 6. Senat schließt sich der von Stellamor/Steiner (aaO 172) vertretenen Auffassung an, wonach die im § 54 Abs 2 Z 4 ÄrzteG 1998 vorgenommene Betonung höherwertiger Interessen dahingehend zu verstehen ist, dass das Vorliegen höherwertiger Interessen eine Durchbrechung der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht im Einzelfall rechtfertigen kann. Die Erwähnung der Bereiche öffentliche Gesundheitspflege und Rechtspflege darf demgegenüber zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zu § 121 Abs 5 StGB nicht dahin interpretiert werden, dass es außerhalb dieser Bereiche keine anderen Interessen gebe, die als höherwertig angesehen werden dürften (vgl § 25 Abs 2 Vbg Spitalgesetz: insbesondere). Auch das Interesse dritter Personen an ihrer eigenen Gesundheit muss den von § 54 Abs 2 Z 4 ÄrzteG 1998 genannten Bereichen zumindest gleichgesetzt werden, zumal es dabei um Interessen der öffentlichen Gesundheitspflege im weiteren Sinn geht. Dieses Verständnis trägt auch der im Schrifttum (Klaus aaO 11) geforderten Abstimmung zwischen den Rechtfertigungsgründen des § 121 Abs 5 StGB und § 54 Abs 2 Z 4 ÄrzteG 1998 Rechnung, zumal die Offenbarung eines gesundheitsbezogenen Geheimnisses nach § 121 Abs 5 StGB schon dann gerechtfertigt ist, wenn (irgendein) öffentliches oder berechtigtes privates Interesse die Offenlegung rechtfertigen (Lewisch, WK zum Strafgesetzbuch2 § 121 StGB Rz 31 f).
Allerdings setzt die Beurteilung eine nach den Umständen des Einzelfalles vorzunehmende umfassende Interessenabwägung voraus. Im hier zu beurteilenden Fall ist das Interesse des Klägers an der Geheimhaltung des Befunds und jenes dritter Personen (aber auch des Klägers selbst), als Verkehrsteilnehmer nicht durch die Fahruntauglichkeit geschädigt zu werden, einander gegenüberzustellen. Dem Berufungsgericht ist zwar darin zuzustimmen, dass der behandelnde Arzt nicht generell bei jedem Verdacht auf eine krankheitsbedingte Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit die Führerscheinbehörde informieren darf und dass es auch darauf ankommt, wie groß die Gefahr ist, dass es krankheitsbedingt zu einem Unfall kommt. Im vorliegenden Fall bestanden aus der Sicht der behandelnden Ärzte schwerwiegende Hinweise auf eine krankheitsbedingte Bewusstseinsstörung, sei es in Form einer Anfallskrankheit oder des Alkoholismus. Die Auskunft eines Arbeitskollegen des Klägers, dieser könne es mit dem Alkohol gut, konnte die nach der Anamnese bestehenden Hinweise ebensowenig entkräften wie das uneinsichtige und aufbrausende Verhalten des Klägers, sondern musste den Eindruck, er könnte als Alkoholiker in seiner Fahrtauglichkeit beeinträchtigt sein, noch verstärken. Im Übrigen hatte der Kläger bereits einmal einen Verkehrsunfall unter Alkoholeinfluss verursacht und es war ihm der Führerschein schon damals entzogen worden. Er hatte danach noch zwei weitere Alkoholdelikte begangen. Dem Berufungsgericht ist daher nicht darin zu folgen, dass die Gefahr eines Unfalls gering gewesen wäre.
Dass die im Anlassfall zur Bewusstlosigkeit führenden Ursachen nicht festgestellt wurden, ist nicht darauf zurückzuführen, dass es keine die Fahrtauglichkeit beeinträchtigenden Umstände gegeben hätte, sondern vielmehr darauf, dass der Kläger auf seiner Entlassung bestand und sich weigerte, weiterführende Untersuchungen vornehmen zu lassen. Seine Weigerung machte die von einer krankheitsbedingten Beeinträchtigung ausgehende Gefahr unkalkulierbar und schlägt somit zugunsten des Interesses an der Sicherheit des Straßenverkehrs aus. Sein insgesamt uneinsichtiges Verhalten war auch nicht dazu geeignet, bei den Ärzten den Eindruck zu hinterlassen, er werde die Ursachen seiner Bewusstlosigkeit tatsächlich von der Hausärztin abklären lassen. Sie mussten daher nicht davon ausgehen, dass er die angekündigte Untersuchung tatsächlich werde vornehmen lassen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes kann dem Geheimhaltungsinteresse des Klägers auch nicht deshalb der Vorrang eingeräumt werden, weil die Rechtsordnung das normale Risiko des Straßenverkehrs toleriere. Dieses auch von Klaus (aaO 140) im Rahmen der Interessenabwägung gebrauchte Argument versagt im vorliegenden Fall schon deshalb, weil der Kläger durch seine Tätigkeit als Rettungswagenfahrer ein höheres Risiko für die Beeinträchtigung des Lebens und der Gesundheit anderer verwirklicht. Die möglichen Folgen für Dritte, die durch seine Fahruntüchtigkeit drohen, sind daher höher einzuschätzen als bei privaten Autolenkern (siehe auch Klaus aaO 142). Die Interessenabwägung führt somit zusammenfassend zu einem Überwiegen der Interessen an der Bekanntgabe des Befundes an die Führerscheinbehörde, um eine Verletzung Dritter als Verkehrsteilnehmer durch die Fahruntauglichkeit des Klägers zu vermeiden, gegenüber dem Interesse des Klägers an der Geheimhaltung. Die von den Spitalsärzten der Beklagten verfasste Meldung an die zuständige Bezirkshauptmannschaft war daher - wie das Erstgericht richtig erkannte - nicht gesetzwidrig.
Dass die Gewichtigkeit eines Themas für die Allgemeinheit Beurteilungskriterium bei der Interessenabwägung sein kann, hat der Senat aus Anlass der Prüfung von Rechtfertigungsgründen im Konflikt zwischen dem Recht der freien Meinungsäußerung und dem absolut geschützten Gut der Ehre im Zusammenhang mit einem Verstoß gegen § 1330 ABGB bereits bejaht. Dabei hat der Senat auch die Sensibilisierung der Bevölkerung gegenüber dem Thema Alkohol am Steuer herausgestrichen (6 Ob 109/00y = MR 2001, 26 - Alkoholsünder). Das Ergebnis der im vorliegenden Fall vorgenommenen Interessenabwägung steht damit im Einklang.
Der vom Berufungsgericht aufgetragenen Verfahrensergänzung zur Höhe des Klagebegehrens bedarf es also nicht. Dem dagegen erhobenen Rekurs der Beklagten wird Folge gegeben und in der Sache selbst (§ 519 Abs 2 letzter Satz ZPO) die das Klagebegehren abweisende Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt.