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§80 StPo - Anhalterecht eines Privaten

Verfasst: Mo 15. Jun 2015, 11:46
von Senf
Hallo Leute,

da hier im Forum immerwieder Notwehrrecht und dergleichen diskutiert wird, wollte ich einmal eure Meinung zum §80 der Strafprozessordnung hören.

https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe? ... halterecht

Darin geht es ja im Prinzip darum, dass wenn man wen dabei erwischt wie er eine, nach Strafgesetz, strafbare Handlung begeht, festhalten/festnehmen darf. Hier gibt's ja immerwieder augenscheinlich qualifizierte Aussagen zu diversen Rechtslagen, daher bitte ich um Aufklärung. Was umfasst dieser Paragraf und was nicht?

P.S: sollte ich Begriffe durcheinander gebracht haben, bitte korrigierts mich, ich hab von Jus nicht viel Ahnung...
@Ben: wenn das Thema unerwünscht ist bitte schließen!

Re: §80 StPo - Anhalterecht eines Privaten

Verfasst: Mo 15. Jun 2015, 11:51
von BigBen
Ein paar weiteführende Infos dazu von http://www.rechtsanwalt-strobl.at/fachg ... alterecht/


Nach § 80 Abs 2 StPO hat jeder Bürger, der von einer strafbaren Handlung Kenntnis erlangt das Recht eine Person, die eine strafbare Handlung begeht oder von der er durch begründeten Verdacht annimmt, sie stehe im Zusammenhang mit einer solchen, das Recht diese Person verhältnismäßig bis zum Eintreffen der Polizei festzuhalten und Gewalt mit angemessener Gegengewalt abzuwehren. Die Person muss die Behörde aber ohne unnötigen Aufschub sofort hierüber in Kenntnis setzten, ansonsten handelt sie rechtswidrig. Gegen das von der Rechtsordnung erlaubte Anhalterecht ist keine Notwehr zulässig.
Die Freiheit einer Person zählt zu den absolut geschützten Rechtsgütern und darf einer Person nur unter den im Gesetz bestimmten Umständen entzogen werden. Das Festhalten einer Person erfüllt ab einer Mindestdauer von 10 Minuten den Tatbestand der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB. Geschieht dies jedoch bloß zum oben genannten Zweck, ist der Täter gerechtfertigt.
Das private Anhalterecht ist jedoch nur zulässig, wenn vom Angehaltenen eine gerichtlich strafbare Handlung begangen wurde oder ein Grund zur Annahme besteht, dass er sie begangen hat. Gerichtlich strafbare Handlungen sind nur Taten, die in den Bereich des Strafrechts fallen. Verwaltungsübertretungen fallen nicht darunter, hierfür ist kein Gericht sondern eine Behörde zuständig. Demnach handeln Kontrolleure, die Schwarzfahrer in Straßenbahnen festhalten und so am Weglaufen hindern, nicht im Sinne des privaten Anhalterechtes, da die StPO gemäß § 1 Abs 1 letzter Satz nur bei gerichtlichen Straftaten Anwendung findet.


Und noch ein Link von einer Anwaltskanzlei: http://hintermeier.stadtausstellung.at/pdf_3097.pdf

Re: §80 StPo - Anhalterecht eines Privaten

Verfasst: Mo 15. Jun 2015, 12:16
von aragorn
Es ist konkret erlaubt, was die Anhaltung erfordert. Da die Anhaltung als Rechtsfertigungsgrund Deiner Strafbarkeit gilt (zB wegen der eigtl vorliegenden Noetigung durch Dich) ist deine Handlung nicht rechtswidrig, wenn sich der Angehaltene jedoch wehrt, handelt er rechtswidrg und Du koenntest gegen seine Schlaege, Tritte (durch die er sich entziehen will) Notwehr ueben.

Wenn Du konkrete Fragen hast, kann ich die gerne erlaeutern.

Re: §80 StPo - Anhalterecht eines Privaten

Verfasst: Mo 15. Jun 2015, 13:37
von Helmal
Zumindest der letzte Teil von Bens Zitat ist nach einer mittlerweile nicht mehr ganz so jungen Entscheidung vom Schmerlingplatz nicht mehr aktuell; ich meine mich zu erinnern, dass den Schwarzkapplern darin ein Anhalterecht attestiert wurde (wohlmöglich aber auch qua Erschleichen einer Leistung)...


Edit: Die einschlägige Bestimmung des Art 9 Abs 1 Z 2 EGVG, auf die der OGH in seiner Entscheidung (15 Os 71/07s ) Bezug genommen hat, gibt es nicht mehr. Muss das mal nachsehen... Aber Erschleichen einer Leistung (§ 149 StGB) müsste es gehen, auf der anderen Seite ist das nur ein Ermächtigungsdelikt und woher soll der Schwarzkappler wissen, dass die Ermächtigung erteilt wird (gute Frage, ob das ein abstraktes Rechtsproblem ist...).

LG

Re: §80 StPo - Anhalterecht eines Privaten

Verfasst: Mo 15. Jun 2015, 15:41
von aragorn
Das normale Schwarzfahren (also in der Bim ohne Fahrschein) wird nicht als Erschleichen einer Leistung angesehen.

§80 StPo - Anhalterecht eines Privaten

Verfasst: Mo 15. Jun 2015, 15:51
von Helmal
Von mir aus, Strafrecht hab ich das letzte Mal bei der RAP gebraucht, worüber ich recht happy bin ;)

BTT: Gibt's jetzt eine Grundlage auf der die Schwarzkappler anhalten könnten?


Mobile.

Re: §80 StPo - Anhalterecht eines Privaten

Verfasst: Mo 15. Jun 2015, 15:52
von aragorn
Schwarzfahren ist nach Art 3 Abs 1 Ziffer 2 EGVG noch immer nur eine Verwaltungsübertretung. Ich habe das mal gedanklich durchexerziert und tue mir da zB schwer, wenn man mit den Kontrolleuren aussteigt und die Polizei dann außerhalb der Straßenbahn die Identität feststellen will, worauf sie sich berufen wollen. Die Voraussetzungen des § 35 SPG liegen jedoch nicht vor. Auch eine Festnahme nach § 35 VStG ist meiner Meinung nach zu verneinen, da ich nicht auf frischer Tat betreten werde.

Re: §80 StPo - Anhalterecht eines Privaten

Verfasst: Mo 15. Jun 2015, 15:54
von aragorn
Also ja, die OGH Entscheidung sollte noch passen, weil eh einer neuer Verwaltungsübertretungstatbestand existiert. Aber ewig dürfen die ja eben nicht anhalten und was die Polizei machen will, wenn sie dann da ist, würde ich auch mal "schauen".

Ich habe mich mit der Frage vor ca 1 1/2 Jahren beschäftigt und wollte das aus Interesse mal durchspielen. Vll kann ja ein Polizist hier sagen, wie er handeln würde.

Re: §80 StPo - Anhalterecht eines Privaten

Verfasst: Mo 15. Jun 2015, 15:55
von Helmal
Les ich das gerade recht und hat der Gesetzgeber einfach aus Art 9 Art 3 gemacht (was dieses Thema anbelangt...)? Egal.

Seh ich genauso nachdem ichs gelesen hab.


Mobile.

Re: §80 StPo - Anhalterecht eines Privaten

Verfasst: Mo 15. Jun 2015, 16:00
von Helmal
So kurz für alle die es interessiert, warum ordinäres Schwarzfahren nicht unter 149 fällt:
1) brauchst ein nicht geringfügiges Entgelt (Rsp lt Wiener Kommentar StGB > EUR 100) und
2) du musst den Kontrolleur täuschen zB über deine Identität.

Sonst würde Straßenbahn, ÖBB etc lt Wiener Komm schon drunter fallen, nicht aber Taxi (ggf ordinärer Betrug)

So fertig mit OT.


Mobile.

Re: §80 StPo - Anhalterecht eines Privaten

Verfasst: Mo 15. Jun 2015, 18:31
von gewo
moment mal

so OT simma ja garnd, ist eh das selbe thema fast

wenn ein hund einen anderen verletzt und die poliezi kommt ist diese nicht dazu in der lage die personalien des halters des angreifenden hundes zu ermitteln da dazu die gesetzsegrundlage fehlt und es sich um eine zivilrechtliche auseinandersetzung handelt
fuer mich voellig unverstaendlich
aber in einem der postings hier neulich hat man mich davon ueberzeugt

was genau ist jetzt beim schwarzfahen anders?
ist doch auch zivilrecht
warum darf da der polizist die personalien an den "geschaedigten" mitteilen...?

Re: §80 StPo - Anhalterecht eines Privaten

Verfasst: Mo 15. Jun 2015, 18:56
von JPS1
Weil Schwarzfahren zusätzlich eine Verwaltungsübertretung ist

Art. III EGVG
https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassu ... r=20005871

Re: §80 StPo - Anhalterecht eines Privaten

Verfasst: Mo 15. Jun 2015, 18:58
von gewo
JPS1 hat geschrieben:Weil es eine Verwaltungsübertretung auch noch ist

Art. III EGVG
https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassu ... r=20005871


und sachbeschaedigung (der verletze hund) ist keine ..?

edit:
verstehe, die sachbeschaedigung hat ja ned der halter begangen sondern sein hund
vermutlich liegt da der unterschied

Re: §80 StPo - Anhalterecht eines Privaten

Verfasst: Mo 15. Jun 2015, 19:10
von Thule
Nein. Es geht um die Vorwerfbarkeit des Verhaltens (bzw. des "Willens") des Täters also der Person unter dessen Kontrolle der Hund steht/stehen sollte.
Zur Sachbeschädigung braucht es zumindest bedingten Vorsatz. Wird man bei so einer Hundesache meist schwer konstruieren können. Fahrlässige Sachbeschädigung gibts nicht, also strafrechtlich. Dem Hund ist ja nichts vorwerfbar, man muss sich daher den Täter ansehen. Wenn jetzt jemand den Hund auf einen anderen Hund oder Gänse oder andere Wirbeltiere hetzt, dann wäre das Tierquälerei, der Hund das Tatmittel und Täter der Halter, bzw. wer den Hund halt gehetzt hat.
Wenn der Halter einfach überfordert ist oder selbst "bewußt fahrlässig" handelt, ist das strafrechtlich nicht vorwerfbar. Solange es um "Sachen" geht natürlich. Hund beißt Mensch ist zumindest (der Verdacht auf) fahrlässige KV.