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Hülsenrisse - wie kann ich das Patronenlager vermessen
Verfasst: Mo 5. Dez 2016, 12:55
von 75reinhard
Hallo Kollegen!
Mir sind letztlich einige Hülsen in Kaliber 0.300 WinMag radial eingerissen, eine Hülse stand hier kurz vor dem Abriss. Das ist mir natürlich erst bei der Reinigung aufgefallen und danach war mir auch klar, warum die Streukreise an diesem Tag nicht so recht wollten. Nachdem im Netz bei radialen Hülsenrissen praktisch immer das Patronenlager ins Spiel kommt, wollte ich Fragen, ob ich dieses mit Hausmittel selber vermessen kann. Bislang konnte ich nur den Tipp mit dem Schusspflaster am Hülsenboden finden, aber irgendwie ist mir das zu unsicher. Bei 2 Pflaster übereinander bin ich mir nicht sicher, ob ein erhöhter Widerstand zu spüren ist - 3 sind zu viel, danach lässt sich der Verschluss nur mehr mit Nachdruck verriegeln.
Hier mal ein Bild davon, wie die Hülsen aussehen. Nummer 1 und Nr. 2 sind gerissen, bei 3 und 4 sieht man deutliche Spuren der Materialschwächung und bei Nr. 5 sieht man wie es innen aussieht, wenn es von außen erkennbar wird.

zusätzliche Infos:
Waffen: Tikka T3 und Blaser R93, Pulver VV N165, Sierra MK 168gr, CCI-BR2, Hornady Hülsen
Die R93 gehört einem Freund von mir und deshalb wurden die Hülsen vollkalibriert. Davor wären mir bei der Halskalibrierung keine Anzeichen einer Rissbildung aufgefallen. Jetzt frage ich mich allerdings auch noch, ob ich bei der Matrize fehlerhaft sein könnte, die Einstellung habe ich jetzt schon x-Mal überprüft und keine Fehler gefunden. Die für mich mit einer Schieblehre messbaren Hülsenmaße sind in der Toleranz.
Ab zum Büma, oder fällt euch was dazu ein? Für weitere sachdienliche Hinweise, Anregungen, Schelte (ch weiß z.B. nicht welche Patrone mit welcher Waffe verschossen wurde) wäre ich euch sehr dankbar.
lg Reinhard
Re: Hülsenrisse - wie kann ich das Patronenlager vermessen
Verfasst: Mo 5. Dez 2016, 13:09
von Reaper
Da sich der Verschlussabstand bei Gürtelhülsen vom Gürtel her bemisst, dürfe das recht schwierig sein.
Weil wie willst Du vom vorderen Gürtelrand bis zur schrägen Schulter messen?
Es gibt auch die Möglichkeit einen Abdruck vom Patronenlager zu machen.
Dafür gibt es extra Flüssigmassen (von denen ich grad nicht weiß wie sie heißen), die man ins Patronenlager eingibt und nach dem Erstarren wieder herausholt und vermessen kann.
Wird aber mit dem Gürtel im Patronenlager nicht funktionieren.
Die Hülsen könntest Du mit einer Patronenlagerlehre prüfen, vielleicht sind sie zu weit herunterkalibriert.
Falls das aber nicht der Fall ist, musst Du davon ausgehen, dass das Patronenlager sich gedehnt hat.
Im Ernst:
Ab damit zum Büma.
(Meine Meinung)
Re: Hülsenrisse - wie kann ich das Patronenlager vermessen
Verfasst: Mo 5. Dez 2016, 16:56
von lüftl
Hallo,
die "Flüssigmasse " heisst Cerrosafe und muss erhitzt werden, bevor man sie giesst. Man bekommt sie z.B. bei Reimer Johannsen. Allerdings wäre noch ganz gut zu wissen, wie oft die Hülsen schon wiedergeladen wurden. Die 300 Win Mag bildet den Verschlussabstand ja über den Gürtel. Wenn die Hülsen immer an der Schulter etwas zu weit zurückkalibriert werden könnte es schon sein, dass das Hülsenmaterial nach vorn "fliesst." Bei Hülsen, die den Verschlussabstand an der Schulter bilden und oft zu weit an der Schulter heruterkalibriert werden kommt das sogar häufiger vor. Musst Du die Hülsen oft trimmen? Auch das ist ein Zeichen, dass das Material in Bewegung ist und irgendwo muss das Messing das vorne wegkommt ja erst mal her kommen. Von Hornady gibt es enstsprechende Case Gauges
http://www.hornady.com/store/Headspace-Gauge-Kits/ mit dem man die Hülsen recht gut vermessen kann. Wenn Du dann die VK Matritze so einstellst, dass du die Schulter so wenig wie möglich zurückdrückst, dann sollte es besser werden. Aber speziell Hülsen die leistungsstarke Laborierungen beinhalten tun es bei weitem nicht so lange wie bei schwachen Scheibenlaborierungen. Außerdem würde ich ein bestimmtes Los Hülsen pro Waffe nehmen und immer nur aus einer Waffe schiessen.
P.S. Das Hausmittelchen mit den Schusspflastern funktioniert bei einer Gürtelhülse nicht. Theoretisch kannst Du die Schulter viel zu weit zurückdrücken und kommst mit den Schusspflastern immer aud den selben Wert.
Edit: Korrigiert und ergänzt.
Re: Hülsenrisse - wie kann ich das Patronenlager vermessen
Verfasst: Mo 5. Dez 2016, 17:46
von Tobisch
Dass bei Scheibenladungen derartige Abrisse auftreten, erstaunt etwas. Der Gasdruck wird wohl hoch sein. Also wäre eine Möglichkeit,
mit der Pulvermenge zurückzugehen. Die Angaben im Sierra Manual geben dazu einen Anhaltspunkt.
Dass die Schulter für eine der beiden Waffen viel zu weit zurückgesetzt wird, steht außer Frage. Ein Vergleich der abgeschossenen Hülse und der vollkalibrierten Hülse schafft Gewissheit. Danach die FL-Matrize neu einstellen, und zwar auf die "kürzere"(Abstand Boden zur Schulter)
Hülse der beiden Waffen. Reißt die längere dann immer noch, muss für beide Waffen eigens eingestellt werden.
Hilfreich beim Einstellen ist das Einrußen des Schulterbereiches mit einer Kerze .
WTO
Re: Hülsenrisse - wie kann ich das Patronenlager vermessen
Verfasst: Mo 5. Dez 2016, 17:58
von Reaper
Hallo Tobisch,
wenn Du mir jetzt noch sagst, wie Du von der Schulter weg messen willst, machst Du mich zu einem glücklichen Menschen.
Re: Hülsenrisse - wie kann ich das Patronenlager vermessen
Verfasst: Mo 5. Dez 2016, 18:16
von Fuchs1975
Hi
ganz einfach zu kontrollieren
was für Fabrikat sind die Hülsen ?
wie oft sind die Hülsen schon geladen ?
hast schon mal Patronen zum Gasdruckmessen gebracht ?
Fabrikspatrone messen mit der Hornady Messlehre
Abgeschoßene Fabrikspatrone messen mit Messlehre
und dann danach die Matritze einstellen
lg
Re: Hülsenrisse - wie kann ich das Patronenlager vermessen
Verfasst: Mo 5. Dez 2016, 19:40
von lüftl
Hallo reaper,
schau Dir mal die Hornady Messlehren an. Damit kann man den Abstand von der Schulter bis zum Hülsenboden messen. Das Maß zwischen Hülsenboden und Gürtel kannst du bei einer Gürtelhülse nur mit kalibrieren eigentlich nicht verändern. Und nehmen wir mal an, dass nach dem Feuern einer Hülse diese Hülse feuergeformt ist, also die Negativform des Patronenlagers darstellt, sollte man auch bei der 300 Win Mag dieses Mass nehmen können. Wenn Du die FL Kalibriermatritze dann so einstellst, dass die Schulter nicht oder nur ganz wenig zurückgedrückt wird, sollte auch das Fliessen des Messings nach vorn aufhören und die Trimmerei immer seltener notwendig werden.
Edit: Rechtschreibung
Re: Hülsenrisse - wie kann ich das Patronenlager vermessen
Verfasst: Mo 5. Dez 2016, 21:26
von 75reinhard
Vielen Dank für eure ausführlichen Antworten!
Die Hornady Messlehre sieht interessant aus, ich denke die werde ich mir besorgen. Das mit der Gürtelhülse, also dass mit dem Abstand Gürtel zur Schulter, habe ich ehrlich gesagt noch gar nicht bedacht. Falls die Schulter bei der VK doch zu viel nach unten gedrückt wird, könnte das dann auch den stark verschmauchte Hülsenhals (was bei Werkspatronen nicht auftritt) erklären? Um jetzt nochmal auf den Verschlußabstand zurückzukommen, wenn der Verschlußboden zu weit weg wäre, dann müsste doch der Hülsenboden trotzdem nach hinten wandern, weil der Gürtel ja die Hülse nur in der Bewegung nach vorne limitiert. Also im ungünstigsten Fall wäre dann bei der Schulter und beim Hülsenboden zu viel Spiel, oder täusche ich mich da?
Die gerissenen Hülsen wurden 6x geladen, aber auch bei Hülsen die zum 1x wiedergeladen wurden, kann man, wenn man genau darauf schaut und im richtigen Bereich sucht, bereits leichte Spuren der sich abzeichnenden Schwächung der Hülse erkennen. Nicht bei allen, aber doch bei einigen Hülsen. Jetzt kommt natürlich noch das Dilemma mit den 2 verschiedenen Büchsen ins Spiel. Ich gelobe Besserung...
Die Patronen habe ich noch nie messen lassen, Zeichen von Überdruck sind allerdings nicht zu erkennen, Zündhütchen und Zündhütchenspalt sind völlig unauffällig und gemäß Quickload bin ich im Bereich von rund 3500bar unterwegs (Grenzwert = 4300 bar).
Meine Tikka ist erst einige Monate alt und hat max. 600 Patronen durch. Nachdem die Ausreisser auf der Scheibe und die Risse zeitgleich mit den VK Patronen aufgetreten sind, bei Werkspatronen weder die Verschmauchung beim Hülsenmund auftritt, noch Ausreisser auf der Scheibe zu beobachten und auch keine Rissbildung zu bemerken ist, werde ich mir mal wieder einige Packungen Werkspatronen besorgen (bräucht eh wieder neue Hülsen *seufz*) und da einmal genau aufpassen was passiert. Diese Messlehre besorge ich mir auch noch und den Büma kann ich sicherheitshalber einen Besuch abstatten. Die Vermessung wird ja hoffentlich nicht so lange dauern, weil so ganz ohne Gewehr bekomme ich Winterdepressionen

.
Thx nochmal, Reinhard
Re: Hülsenrisse - wie kann ich das Patronenlager vermessen
Verfasst: Di 6. Dez 2016, 01:00
von Steelman
Ich kenne das Problem.
Anfangs, mit wenig Erfahrung mit Gürtelhülsen, habe ich beim VL-kalibrieren (überwiegend aus anderen Gewehren abgefeuerte Hülsen) die Schulter minimal zurückgesetzt.
Die Folgen waren ähnlich wie bei dir, schon beim ersten Zyklus Radialrisse knapp über dem Hülsenboden.
Abhilfe war die Lee Collet-Sizer Matritze. Brachte mehrere Ladezyklen ohne Hülsenreisser.
Allerdings passen dann die Hülsen/Patronen nur mehr in jenes Gewehr, in dem sie abgeschossen, entspr. feuergeformt wurden.
Das Geld für Messlehre kannst sparen
LG Steelman
Re: Hülsenrisse - wie kann ich das Patronenlager vermessen
Verfasst: Di 6. Dez 2016, 11:35
von lüftl
Hallo Steelman,
75reinhard schreibt ja, dass ihm beim Halskalibrieren nichts aufgefallen ist. Da er ja schon eine Halskalibriermatritze hat, ist die Anschaffung der Collet Die, die ja auch nicht wirklich was anderes ist, wahrscheinlich gar nicht nötig.
Die Collet Die, zumindest die die ich ausprobieren durfte hat, für mich einen einzigen Schwachpunkt. Und das ist der, dass zumindest ich den Ausziehwiederstand von mal zu mal nicht so reproduzierbar hinkriege, wie mit der Halskalibriermatritze mit auswechselbaren Kalibrierringen. Auch kleinste Abweichungen bei der Einstellung hatte bei mir da schon einen Einfluss. Wie gesagt, das kann gerne an mir liegen, aber ich krieg es einfach ohne Collet besser hin.
Re: Hülsenrisse - wie kann ich das Patronenlager vermessen
Verfasst: Di 6. Dez 2016, 19:32
von Steelman
@ lüftl,
ich habe natürlich die Lee-Colletsizer Matritze ein wenig modifiziert.
Mach ich eigentlich bei allem was ich so kaufe, wenn ich es mir nicht gleich selbst baue.
Zum Thema: Das radiale "zusammendrücken" des HH ist besonders bei Gürtelhülsen wesentlich Material schonender, als das in Längsrichtung einpressen in einen Maßring. Dabei wird fast immer die Schulter gestaucht u. zurückgesetzt.
Aber das ist nur meine Meinung, und mir soll´s Recht sein, wenn es eine andere gibt.
LG Steelman
Re: Hülsenrisse - wie kann ich das Patronenlager vermessen
Verfasst: Di 6. Dez 2016, 21:28
von 75reinhard
Ich habe mir jetzt einige Infos zur Lee Matrize übers Netz angesehen. Das ist ein recht interessantes Teil, aber genau das was lüftl beschreibt habe ich auch in einem alten Faden hier auf Pulverdampf gelesen. Das Problem der reproduzierbaren Einstellung des Ausziehwiderstandes wurde hier vom PD Member katsching recht ausführlich beschrieben.
viewtopic.php?f=16&t=8732&start=10@ steelman - deine Modifikation würde mich schon brennend interessieren, wenn du deine Idee weiter geben magst, ich höre gerne zu.
Re: Hülsenrisse - wie kann ich das Patronenlager vermessen
Verfasst: Di 6. Dez 2016, 22:50
von Steelman
75reinhard hat geschrieben:Ich habe mir jetzt einige Infos zur Lee Matrize übers Netz angesehen. Das ist ein recht interessantes Teil, aber genau das was lüftl beschreibt habe ich auch in einem alten Faden hier auf Pulverdampf gelesen. Das Problem der reproduzierbaren Einstellung des Ausziehwiderstandes wurde hier vom PD Member katsching recht ausführlich beschrieben.
https://www.pulverdampf.com/viewtopic.p ... 2&start=10@ steelman - deine Modifikation würde mich schon brennend interessieren, wenn du deine Idee weiter geben magst, ich höre gerne zu.
das ist echt schwierig zu beschreiben, aber ich versuche es:
Im Prinzip geht es um exaktes zentrieren des Kaliberdorn u. Vermeidung von Reibung um maßhaltiges "quetscchen" zu erreichen.
1.) Den inneren Teil (der deutsche Begriff lautet: Spannzange) wo die Schlitze sind (in der Bohrung) jede Kante deutlich (0,5mm) anfasen, die Bohrung (die den HH berührt) polieren (geringes ~0,1mm vergrössern des Ø schadet nicht)
2.) aussen Konus polieren, ebenso den Innenkonus im Gegenstück
3.) Den Innendorn um einige Hundertstel im Ø reduzieren, und ganz wichtig: Einsatzhärten u. polieren (der Dorn ist ab Werk nicht gehärtet)
4.) Im oberen Gegenstück die Bohrung minimal (~ 0,1mm) im Ø vergrössern, der Dorn soll leichtes Spiel haben (= bessere Selbstzentrierung)
Jahrelange Erfahrung in Metallbearbeitung ist sehr hilfreich
Den ganzen Dreck von der Bearbeitung entfernen (ist eigentlich logisch).
Unbediengt die Gleitflächen an Innen/Aussenkonus sowie immer Hülsenhals innen u. aussen mit Graphitpulver schmieren)
Und sich genügend Zeit zum ordentlichen Einstellen nehmen.
Ich verwende die Collet-sizer seit es sie gibt (glaube so an die 20 Jahre) in allen LW-Kaliber (von .223 bis .300WM) natürlich mit der Einschränkung, dass die Hülsen immer wieder im selben Gewehr (=Patronenlager) verwendet werden.
Ein weiterer Vorteil: das Trimmen kannst fast vergessen, die Hülsen bleiben fast immer gleich lang u. halten wesentlich länge.
LG Steelman
Re: Hülsenrisse - wie kann ich das Patronenlager vermessen
Verfasst: Mi 7. Dez 2016, 07:52
von lüftl
Danke für die Info Steelman
Re: Hülsenrisse - wie kann ich das Patronenlager vermessen
Verfasst: Mi 7. Dez 2016, 09:05
von 75reinhard
@ steelman: Danke für die ausführliche Beschreibung. Mit Hilfe einiger Schnittzeichnungen, welche man im Netz von der der Matrize findet, kann ich es mir in etwa vorstellen, wo was zu machen wäre. Gleichzeitig habe ich einen Bericht zur Einstellung der Collet Matrize bei der Verwendung einer RCBS Presse gefunden, wobei man sich dieses RCBS typische "überdrücken" bei der Presse als Marker hernehmen soll, um den Ausziehwiderstand reproduzierbar zu machen.
Wer mag kann das hier nachlesen (Beitrag #3):
http://benchrest.com/showthread.php?49899-Lee-Collet-Die-AdjustmentIch werde mir jetzt einmal die Messlehre und die Lee Matrize besorgen und dann bin ich schon gespannt darauf, was für messbare Unterschiede es zwischen den unterschiedlichen Matrizen gibt. Es interessiert mich vor allem die Maße, wenn ich die RCBS VK Matrize gemäß Beschreibung um die 1/8 bis 1/4 Umdrehung weiter reindrehe.
Ja und ansonsten habe ich dank eurer Hilfe wieder so einiges dazu gelernt und werde in Zukunft:
1. Hülsenlose immer nur einer Waffe zuordnen
2. Die Hülsen wenn möglich nur mehr Halskalibrieren
3. die Stresszone immer genau beobachten und die Gesamtlänge mitnotieren
4. Mehr dokumentieren (also nicht nur wie oft wiedergeladen, auch Ladedaten, VK oder HK, Länge,..)
Danke nochmal @all,
Reinhard