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Etwas zum Rückstoss
Verfasst: So 19. Feb 2012, 18:40
von A.Wöhler
Hallo zusammen,
vielfach wird darüber diskutiert wie die Zusammenhänge zwischen Energie, Impuls, Geschossmasse, vo,etc. auf den Rückstoss sind, den der Schütze erfährt.
Dazu ab ich mir vor einiger Zeit mal die Mühe gemacht ein Rechenmodell zu bauen, das die grundsätzlichen Einflüsse zeigt und das ich bei diesem wetter wieder hervorgezogen habe.
Das Modell besteht aus einem Körper Waffe (m=3kg) und einem Körper Geschoss (m=variabel), sowie einem Inertialsystem das den mit der Erde verbundenen Schützen darstellt.
Geschoss und Waffe sind über ein frei definierbares Kraftgesetz miteinander verbunden, das die Antriebswirkung der heissen Gase darstellt. Die Waffe ist mit dem Schützen über ein weiteres frei definierbares Kraftgesetz verbunden, mit dem die Steifigkeit und Dämpfung der Schulter abgebildet ist.
Das kann man so rechnen lassen und sich ansehen was mit den einzelnen Körpern und inbesondere in der "Schulter" des Schützen passiert.
Anbei ein Bild des Ergebnisses eines Rechenlaufs bei dem die Frage beantwortet werden, soll inwieweit die Geschossmasse die Kraft in der Schulter des Schützen, bei sonst gleichgelassenen Parametern (insbesondere gleicher Antrieb = gleiche Ladung), beeinflusst.

Die Antwort ist: Überhaupt nicht. Bei allen Geschossmassen von 4g bis 8g ändert sich weder die Kraft in der Schulter, noch der Weg den die Waffe in die Schulter bewegt wird, noch die Waffengeschwindigkeit nach dem explodieren der Ladung.
Warum? Der Antrieb, den die beiden Körper Waffe und Geschoss durch die Ladung erhalten, wirkt auf beide gleich. Die Masse der Waffe blieb immer gleich, nicht aber jene des Geschosses. Daher wirkt sich die Impulsänderung (=Kraft) auch nur auf das Geschoss aus.
Nebenbei kann man am Bild des Geschossgeschwindigkeit noch sehen, welches die geeignetste Lauflänge beim Wunsch nach grösster Geschossgeschwindigkeit wäre. Wohl gemerkt alles bei der gleichen Ladung.
Vielleicht weis jemand passende Literatur in der sich reale Indikatordiagramme für die Bestimmung des Antriebsgesetztes finden lassen.
lg
A.Wöhler
Re: Etwas zum Rückstoss
Verfasst: So 19. Feb 2012, 18:56
von mgritsch
coole rechung, gefällt mir!
ansich hätte ich folgendes erwartet (schulter mal außen vor - im luftleeren u schwerelosen raum gedacht): der schwerpunkt des gesamtsystems bleibt in ruhe, waffe und geschoss entfernen sich davon in unterschiedlichem tempo, energie und impuls des gesamtsystems bleiben erhalten. bei leichtem geschoss wird die waffe sich wenig, das geschoss sich viel bewegen. bei schwerem geschoss entfällt eben mehr auf waffe. (gedanklicher extremfall: m_geschoss = m_waffe - dann fliegen beide mit gleicher geschwindigkeit auseinander!) was spuckt dein modell aus wenn du m_geschoss auf 3,0 erhöhst?
Re: Etwas zum Rückstoss
Verfasst: So 19. Feb 2012, 19:13
von sandman
Gute Idee!
Allerdings gibt es ein paar Dinge, die ich nicht verstehe:
Wenn ich das richtig sehe ist die Vmax bei dem schnellsten Geschoß (4g) bei einem 60cm langen Lauf 1200 m/s, bei einem 1m langen Lauf auf ca 1350 m/s, was jetzt nicht unbedingt realistisch wäre, oder habe ich das falsch interpretiert?
Die Ideale Lauflänge für das 4g Geschoß müsste demnach bei rund 1m liegen, beim 8g Geschoß bei 40cm
Wenn ich die maximale Energie von 430 N auf die ungefähre Fläche einer Schaftkappe hochrechne, komme ich auf einen Maximaldruck von knapp einem bar für eben die (von Dir berechneten) 0,03 - 0,05 sek, was man wahrscheinlich gar nicht wahrnehmen würde.
was sind denn deine Ausgangsannahmen für die Ladung, bzw wie kommst Du auf den Wert der Geschoßgeschwindigkeit?
Grüße
Sandman
Re: Etwas zum Rückstoss
Verfasst: So 19. Feb 2012, 19:57
von A.Wöhler
Hallo zusammen,
@mgritsch
Ja, genau das tut es . m_geschoss=M_waffe führt zu gleicher entgegengesetzter Geschwindigkeit.
@sandmann
Die Paramter im Modell sind allesamt abgeschätzt, sodass was annähernd plausibles rauskommt. Das ganze ist nicht mehr als eine Einflussuntersuchung. Dafür aber eindrücklich, oder?
Alles steht und fällt mit der Natur des Antriebsgesetzes, bzw. der maximalen Druckspitze.
Ich glaub ich hab einen Druckanstieg innerhalb von 9ms angenommen.
Wenn du brauchbare Werte hast bitte sags sie mir, dann kan nich die Sache nach und nac verfeinern.
Ich werde beizeiten mal eine Beschleunigungsmessung am Schaft meines AUG machen. Dann kann mn das Modell noch besser abstimmen.
Auch den beweglichen Verschluss mit Gasentnahme bau ich ins Rechenmodell noch ein, wenns meine Zeit zulässt.
lg
A.Wöhler
Re: Etwas zum Rückstoss
Verfasst: So 19. Feb 2012, 21:03
von sandman
Ah OK, ich dachte Du hättest das auch berechnet.
Grüße
Sandman
Re: Etwas zum Rückstoss
Verfasst: So 19. Feb 2012, 23:19
von Xandl
A.Wöhler hat geschrieben:Anbei ein Bild des Ergebnisses eines Rechenlaufs bei dem die Frage beantwortet werden, soll inwieweit die Geschossmasse die Kraft in der Schulter des Schützen, bei sonst gleichgelassenen Parametern (insbesondere gleicher Antrieb = gleiche Ladung), beeinflusst.
......
Die Antwort ist: Überhaupt nicht. Bei allen Geschossmassen von 4g bis 8g ändert sich weder die Kraft in der Schulter, noch der Weg den die Waffe in die Schulter bewegt wird, noch die Waffengeschwindigkeit nach dem explodieren der Ladung.
Warum? Der Antrieb, den die beiden Körper Waffe und Geschoss durch die Ladung erhalten, wirkt auf beide gleich. Die Masse der Waffe blieb immer gleich, nicht aber jene des Geschosses. Daher wirkt sich die Impulsänderung (=Kraft) auch nur auf das Geschoss aus.
A.Wöhler
Ich weiß nicht, was das bedeutet.
Aber ich weiß, wenn ich meine Sharps mit 100gr Schwarzpulver und einem 400gr (25,92g) Geschoß abfeuere, tut das bei weitem nicht so hertreten wie 100gr Schwarzpulver und ein 545gr (35,32g) Geschoß.
Alex
Re: Etwas zum Rückstoss
Verfasst: So 19. Feb 2012, 23:57
von waldemar
D.h. bei einem doppelt so schwerem Geschoss ist nur ein halb so langer Lauf notwendig (bei selber Ladung)? Stimmt das mit euren Praxiserfahrungen überein?
Re: Etwas zum Rückstoss
Verfasst: Mo 20. Feb 2012, 01:32
von heimwerker
@waldemar,
ich denke, da hast Du einen Trugschluß.
Schweres Geschoß = langsam (progressiv) brennendes Pulver
Leichtes Geschoß = schnell (offensiv) brennendes Pulver
Idealzustand = Pulver ist restlos verbrannt, wenn das Geschoß aus der Mündung austritt.
Daher ist für "langsame" Pulver der längere Lauf günstiger.
Das Geschoßgewicht hat übrigens mit dem Rückstoß überhaupt nichts zu tun.
Dafür ist allein das Tempo und die Menge der ausgestoßenen Mündungsgase verantwortlich.
Das hat, ich glaube Hornady schon vor vielen Jahren in Untersuchungen nachgewiesen.
Wenn, dann müßten die Pulvergase in die Rückstoßberechnung einbezogen werden.
heimwerker
Re: Etwas zum Rückstoss
Verfasst: Mo 20. Feb 2012, 05:08
von sandman
heimwerker hat geschrieben:@waldemar,
ich denke, da hast Du einen Trugschluß.
Schweres Geschoß = langsam (progressiv) brennendes Pulver
Leichtes Geschoß = schnell (offensiv) brennendes Pulver
Idealzustand = Pulver ist restlos verbrannt, wenn das Geschoß aus der Mündung austritt.
Daher ist für "langsame" Pulver der längere Lauf günstiger.
Das Geschoßgewicht hat übrigens mit dem Rückstoß überhaupt nichts zu tun.
Dafür ist allein das Tempo und die Menge der ausgestoßenen Mündungsgase verantwortlich.
Das hat, ich glaube Hornady schon vor vielen Jahren in Untersuchungen nachgewiesen.
Wenn, dann müßten die Pulvergase in die Rückstoßberechnung einbezogen werden.
heimwerker
Naja hier ist von einer angenommenen gleichen Ladung ausgegangen worden und nicht von unterschiedlichen Pulvern, auch wurden eventuelle Gasdruckspitzen nicht mit einbezogen.
Auch der gefühlte Rückstoß, wie von waldemar beschrieben, hat damit nichts zu tun, da hier viel mehr komponenten dazu beitragen. Alleine die Auflagefläche und -form, sowie das Material der Schaftkappe machen einen enormen Unterschied, ebenso wie die Position beim Schießen, aber dies kann man unmöglich in solche Berechnungen einfließen lassen.
Grüße
Sandman
Re: Etwas zum Rückstoss
Verfasst: Mo 20. Feb 2012, 08:34
von heimwerker
sandman hat geschrieben:Naja hier ist von einer angenommenen gleichen Ladung ausgegangen worden und nicht von unterschiedlichen Pulvern, auch wurden eventuelle Gasdruckspitzen nicht mit einbezogen.
Schon klar, aber wenn @waldemar glaubt, nur die halbe Lauflänge bei einem schweren Geschoß zu brauchen, dann muß man ihn auf den Zusammenhang von Geschoß und Abbrenngeschwindigkeit des Pulvers aufmerksam machen.
Denn das hat unmittelbare Auswirkung auf die günstigste Lauflänge.
heimwerker
Re: Etwas zum Rückstoss
Verfasst: Mo 20. Feb 2012, 10:18
von A.Wöhler
Hallo zusammen,
ich habe noch ein wenig Modellabgleich betrieben. Im Internet findet man über die "originale" .223 den Satz
...Diese hatte ein 3,56 g schweres Geschoß, eine 1,62 g schwere Treibladung und hatte eine V0 von 990 m/s....Gasdruck ca. 3700bar....
Ich hab mein Antriebsgesetz etwas umgebaut und liege mit 3.5g schwerem Geschoss bei v=1090 m/s, Gasdruck 3100 bar. Also etwas schneller bei niedrigerem Druck, mein Modell ist eben reibungsfrei und in einem Nachmittag entstanden. Die Grössenordnungen stimmen aber recht gut.
Worum es mir nämlich letztendlich ging ist die Beanspruchung von angebauten Teilen bestimmen zu können. Das geht mit meinem Rechenmodell jetzt völlig problemlos, weil man auch die Beschleunigungen berechnen kann. Man braucht nur ein einigermassen brauchbares Antriebsgesetz, das man sich aber aus frei verfügbaren Daten recht einfach zusammenbauen kann.
Ein kleines Beispiel: mein Zielfernrohr auf dem AUG hat m=0.8kg, a(berechnet mit Modell)=1900 m/s2 macht eine Massenkraft auf die Befestigung von F=m*a=1900*0.8=1520N. Das ist keine besonders grosse Kraft, die beispielsweise von 4 Schrauben M4 6.9 völlig problemlos über Reibung in den Klemmringen übertragen werden kann.
Wenn man also mal Probleme mit Anbauteilen hat, dann muss man sich nicht mehr dumm machen lassen mit Märchen von mysteriösen Kräften die angeblich bei der Schussabgabe wirken. Falls mal wer Kummer mit sowas hat helfe ich ihm gerne.
Mein Zielfernrohr hält mit der IOR Standardverschraubung übrigens absolut tadellos, das muss ich vielleicht noch dazu sagen, nicht dass der Herr Mayerl denkt.
lg
A.Wöhler
Re: Etwas zum Rückstoss
Verfasst: Mo 20. Feb 2012, 12:57
von waldemar
sandman hat geschrieben:heimwerker hat geschrieben:@waldemar,
ich denke, da hast Du einen Trugschluß.
Schweres Geschoß = langsam (progressiv) brennendes Pulver
Leichtes Geschoß = schnell (offensiv) brennendes Pulver
Idealzustand = Pulver ist restlos verbrannt, wenn das Geschoß aus der Mündung austritt.
Daher ist für "langsame" Pulver der längere Lauf günstiger.
Das Geschoßgewicht hat übrigens mit dem Rückstoß überhaupt nichts zu tun.
Dafür ist allein das Tempo und die Menge der ausgestoßenen Mündungsgase verantwortlich.
Das hat, ich glaube Hornady schon vor vielen Jahren in Untersuchungen nachgewiesen.
Wenn, dann müßten die Pulvergase in die Rückstoßberechnung einbezogen werden.
heimwerker
Naja hier ist von einer angenommenen gleichen Ladung ausgegangen worden und nicht von unterschiedlichen Pulvern, auch wurden eventuelle Gasdruckspitzen nicht mit einbezogen.
Auch der gefühlte Rückstoß, wie von waldemar beschrieben, hat damit nichts zu tun, da hier viel mehr komponenten dazu beitragen. Alleine die Auflagefläche und -form, sowie das Material der Schaftkappe machen einen enormen Unterschied, ebenso wie die Position beim Schießen, aber dies kann man unmöglich in solche Berechnungen einfließen lassen.
Grüße
Sandman
Über Rückstoss habe ich jetzt garnichts geschrieben.
Was ich sagen wollte: Wenn man sich das Bild links oben ansieht, und dann schaut wo bei den einzelnen Kurven der 3 dB Punkt liegt (der Punkt wo alles rechts davon so gut wie gerade ist, und das Geschoss fast nicht mehr schneller wird), dann liegt er bei einem 8 g Geschoss bei 0.5 m, und bei einem 4 g Geschoss bei 1 m. In beiden Fällen wurde die selbe Treibladung verwendet, und die selbe kinetische Energie erreicht.
Meine Schlussfolgerung: Wenn dieses Modell stimmt, dann braucht man bei einem doppelt so schweren Geschoss bei identischer Treibladung nur einen halb so langen Lauf um die selbe kinetische Energie zu erreichen.
Jetzt wollte ich wissen, ob das mit der Realität übereinstimmt, oder nicht.
Re: Etwas zum Rückstoss
Verfasst: Mo 20. Feb 2012, 19:36
von sandman
@waldemar: Sorry das mit dem Rückstoß kam von Xandl, aber nein, das ist in der Realität nicht so, da hier viel mehr Faktoren Einfluß nehmen.
Grüße
Sandman
Re: Etwas zum Rückstoss
Verfasst: Mo 20. Feb 2012, 20:04
von waldemar
Ok, danke für die Info.
Ich weiss eh, wenn man ein Modell mit der Realität verwechselt ist das wie wenn man eine Speisekarte isst.
Re: Etwas zum Rückstoss
Verfasst: Mo 20. Feb 2012, 21:42
von A.Wöhler
Ein Rechenmodell hat den Vorteil, dass man grundsätzliche Einflüsse studieren kann ohne dass Störungen überlagert werden, die einen möglicherweise zu Fehlschlüssen führen. Geschossmasse und Rückstoss sind gute Beispiele dafür, wie andere Effekte den Blick verstellen können. Am besten lassen meistens sich relative Vergleiche anstellen, speziell wenn man nicht viele Messdaten zur Evaluation zur Hand hat.
Es gibt keinen Bereich der rechnenden Technik mehr in dem das nicht angewendet wird, blind herumprobieren führt meistens zu nichts als hohen Kosten.
Die Modellierung der Waffenauflage in der Schulter ist natürlich möglich und wurde auch angewendet mit einem einfchen Modell, dass eine gewisse Abhängigkeit von Dämpfung und Steifigkeit von der Frequenz abzubilden erlaubt. So wie es halt ungefähr sein wird. Man kann auch da obere und untere Grenzen abschätzen.
Auch die Druckspitze ist natürlich drin. Ich hab die Anstiegsflanken mit Funktionstücken mit konstanter zweiter Ableitung eingebaut.
Dass die Lauflängen mit Unschärfe behaftet sind ist auch klar, besser gehts mit meinem geschätzten Antriebsgesetz nicht.
Vielleicht weiss ja wer was besseres und sagt es mir netterweise.