„Bürger-Polizei“: Wenn aus Nachbarn Wächter werden
Laut Statistik war Österreich selten sicherer. Trotzdem verlassen sich immer weniger Bürger auf den Staat und werden selbst aktiv. Das zeigt auch eine neue europaweite Organisation, die in Wien gegründet wurde.
04.11.2014 | 16:15 | Von Andreas Wetz (DiePresse.com)
Wien. Am Papier sieht alles so einfach aus. Haus- und Wohnungseinbrüche, Kfz-Diebstähle, alle Anzeigen zusammen sowie die Zahl der registrierten Anzeigen pro 100.000 Einwohner: All diese Indikatoren über die Sicherheitslage in Österreich zeigen seit den vergangenen zehn Jahren tendenziell nach unten. Gleichzeitig steigt – mit regionalen Ausnahmen – die Aufklärungsquote. Einzelne statistische Ausreißer ändern daran nichts.
Und trotzdem, so scheint es jedenfalls, wollen immer mehr Bürger die Sache selbst in die Hand nehmen, fühlen sich vom Staat und seiner Polizei nicht mehr ausreichend beschützt. Ein starkes Zeichen für diesen Trend war die Gründung der European Neighbourhood Watch Association (EUNWA) Ende Oktober in Wien. Nach einer Idee aus Österreich trafen sich Vertreter von 23 Bürgerorganisationen aus 19 europäischen Ländern.
Das Spektrum der vertretenen Vereine reichte von Nachbarschaftsprojekten zur Kriminalitätsabwehr bis hin zu Charity-Gruppen. Gemeinsames Ziel: voneinander lernen für mehr Sicherheit im unmittelbaren Wohnumfeld. Denn das Interesse an solchen Aktivitäten wächst. Auch hierfür gibt es Indikatoren. Das Thema zieht sich durch soziale Netzwerke wie durch die Forenbereiche von Massenmedien. Im Sommer nahm die parlamentarische Opposition das Thema auf. Seither fordert das Team Stronach für unbescholtene Bürger einen leichteren Zugang zu Waffen sowie die Erlaubnis, diese auch außer Haus zu tragen. Zweck: Selbstschutz und Kriminalitätsabwehr.
Was bringt die „Bürger-Polizei“?
Längst werden die Vertreter der Bürgervereine auch von Politikern und Behörden ernst genommen. Die Szene ist keine Nische mehr. Allein beim Wiener Treffen waren Organisationen anwesend, die die Interessen von nicht weniger als zehn Millionen Mitgliedern vertreten. Eingefallen ist die EUNWA dem Wiener Karl Brunnbauer. 2007 hat er den Verein Pro Nachbar gegründet, der auf 6000 Mitglieder in Österreich kommt. Er glaubt, dass es ohne aktive Einbindung von Bürgern in den Sicherheitsdienst gar nicht mehr geht.
Was die Kooperation zwischen Bürgern und Staatsgewalt bringen kann, dazu gibt es Daten. Aus England und Wales etwa, wo der Personalstand der Polizei seit zehn Jahren stagniert, das Interesse an Nachbarschaftsvereinen wie Neighbourhood Watch UK stark stieg und die Einbruchskriminalität im gleichen Zeitraum um fast 50 Prozent zurückging. Ähnliches erlebten die Bürger im kanadischen Toronto. Dort fließt inzwischen ein Fünftel der gesamten Polizeiarbeit ausschließlich in den Bürgerkontakt. Gleichzeitig ging während der vergangenen sieben Jahre die Zahl der Anzeigen um 40 Prozent zurück.
In beiden Fällen gibt es bisher keine wissenschaftlichen Untersuchungen, ob der verstärkte Bürgerkontakt und die Bürgerbeteiligung direkt mit dem Sicherheitsgewinn zusammenhängen. Es spricht jedoch einiges dafür.
Wie Polizei und Bevölkerung in Zukunft hierzulande gemeinsam an der eigenen Sicherheit arbeiten werden, darüber herrscht alles andere als Einigkeit. Vereine wie Pro Nachbar sehen sich als Leuchttürme der Eigenverantwortung mündiger Bürger, wollen die Beobachtungen ihrer Mitglieder zur Kriminalität in den Wohngebieten gern mit der Behörde teilen, verlangen hierfür jedoch, dass auch die Polizei Details zu relevanten Straftaten preisgibt.
Diese wiederum beobachtet das aufkommende Selbstbewusstsein unter Schutzbefohlenen misstrauisch. Detaillierte Daten aus dem Polizeicomputer für verängstigte Anrainer? Unmöglich.
Dem widerspricht in Österreich nicht nur der Datenschutz. Gerhard Lang, Leiter der Strategieabteilung im Bundeskriminalamt, hat die Aufgabe, beide Interessen unter einen Hut zu bekommen. Er arbeitet an einem bundesweiten Kooperationsmodell des gegenseitigen Informierens. Er sagt: „Vom Einbinden der Bevölkerung in die Sicherheitsarbeit werden alle profitieren.“ Nachsatz: „Die Federführung solcher Projekte muss aber bei der Polizei und nicht bei den Bürgern liegen.“
Regional begrenzte Testläufe mit bestimmten Gemeinden, Wirtschaftstreibenden und auch Pro Nachbar hat es bereits gegeben. Zwar spricht das niemand offen aus, eingeschlagen hat bisher keine der Aktionen. Lang hofft, dass das nun anders wird. In eineinhalb bis zwei Jahren soll es ein bundesweit einheitliches Konzept geben. Die Arbeit mit der eigenen Bevölkerung sei ein strategisches Ziel des Innenministeriums. Was sein Haus fürchtet? „Bürger, die sich bewaffnen und dann als Nachtstreifen durch die Wohngebiete ziehen.“
http://diepresse.com/home/panorama/oest ... e/index.do
Statistiken sind witzig in Österreich, es werden zB politische Verbrechen (also alles was auch mit Demos zu tun hat) nicht miteingerechnet und angeblich auch Serienverbrechen einzelner Täter oder Banden als 1 Verbrechen statistisch erfasst...
Man hat sich auch mal ausgerechnet dass wenn man die EU Statistik mit der gesamt USA Statistik vergleicht, dabei die politischen Verbrechen hier miteinbezieht und Bandenkriminalität der USA ausklammert (die werden dort mitgerechnet), die EU eine höhere Verbrechensrate als die USA hat.
Bitte nicht schlagen, ich kann die Quelle der letzten Aussage nimmer benennen, war aber auch in der Presse.
Aber ihr könnt jeden Polizisten fragen was er von diesen Statistiken hält, immerhin ist er Teil davon und muss die Berichte schreiben.
Ja und solange es in unserem Land keine diesbezügliche Transparenz und Ehrlichkeit gibt, wird die Idee die hinter der Neighbour Watch steht, nicht fruchten können.